Snowpiercer (oder: Die Bahn kommt!)

Jahr: 2013
Regie: Bong Joon-ho
Laufzeit: 126 Minuten
Budget: 40 Mio.$

Der Inhalt kurz und knapp:

Der namensgebende Snowpiercer wäre für jeden deutschen Bahnkunden ein wahrer Graus. Denn seit nunmehr 18 Jahren rast der Zug um die Erde, ohne jemals ein Ziel zu erreichen oder anzuhalten. Das wäre auch keine besonders produktive Idee, da sich die Erde in einer Eiszeit befindet, die von der Menschheit versehentlich selbst ausgelöst worden ist. Die letzten Überlebenden fahren daher in dem Snowpiercer munter in der Runde, der sie mit Energie, Wasser und Lebensmitteln versorgt. Was wie ein wahrer Glücksfall klingt, lauert draußen doch der Kältetod, gilt allerdings nur für einen Teil der Passagiere. Diese leben im vorderen Teil des Zuges, verfügen über allerlei Annehmlichkeiten und vor allem Platz. Die Menschen im hinteren Teil hausen jedoch unter unwürdigen Bedingungen und sind den Launen der besser situierten Mitfahrer ausgesetzt. Dies will Curtis (Chris Evans) ändern, der einen Aufstand anzettelt und vor hat den kompletten Zug, bis hin zur Lok einzunehmen. Klar, dass das herrschende Establishment hiermit nicht einverstanden ist und alles an Kräften aufbietet diesen Coup d’État im Keim zu unterbinden.

Die Meinung:

Bereits vor seiner Veröffentlichung in Deutschland (und später in den USA) sorgte „Snowpiercer“ für einige Schlagzeilen. Denn der Rechteinhaber für die USA, Harvey Weinstein (The Weinstein Company), empfand den Film für zu intelligent, um ihn dem US-Publikum in der Form zumuten zu können. Eine um 20 Minuten zusammengestrichene Fassung sollte dieses „Problem“ lösen, was Regisseur Bong Joon-ho jedoch ablehnte. Weinsteins Forderung löste in den USA, aber auch weltweit einigen Unmut aus, der schlussendlich auch zu einer willkommenen medialen Aufmerksamkeit führte – die auch mein Interesse an dem Film weckte. Mit einiger Verspätung konnte ich mir nun auch den Film zur Gemüte führen.

Wie macht sich der Film denn nun? Bereits vor meiner Sichtung des Films hatte ich so meine Bedenken, was das Setting anbetraf. Eine Dystopie und Gesellschaftskritik, welche sich ausschließlich in einem Zug abspielt? Wie lässt sich so etwas glaubwürdig darstellen, ohne den Plausibilitätstod zu sterben? Tatsächlich bemüht sich das Drehbuch intensiv darum die Rahmenhandlung einigermaßen nachvollziehbar auszugestalten, um zu erklären, wie Menschen 18 Jahre in einem fahrenden Zug überleben können. Da gibt es eine Perpetuum-Mobile-Lok, ein ausgefeiltes Wassergewinnungssystem, Tierhaltung im Zug und vieles mehr. Doch wenn ich ehrlich bin… ich persönlich fand das alles ziemlich affig.

Die groben und feinen Elemente, wie sich der Snowpiercer so aufbaut, empfand ich durchgehend als frag- und unglaubwürdig. So riss mich das übergeordnete Setting immer wieder aus Handlung heraus. Was eigentlich schade ist, denn diese macht durchaus Spaß. Vor allem die Action-Elemente sind sehr fein arrangiert und choreografiert. Dabei spielt der Film in den unterschiedlichen Abteilen des Zuges mit den jeweiligen Bedingungen und mit dem „Eigenleben“ des Zuges. Das ist auch eine wirkliche Stärke von „Snowpiercer“ – packende Kampfsequenzen, die nicht zu hektisch ablaufen, realistisch wirken, dennoch aber nicht an Wirkung verlieren. Dies würde ich mir im westlichen Kino öfters wünschen, wo actionreiche Szenen oft in einem wahren Schnittmassaker enden.

Ebenfalls ein dickes Lob erhält das Szenenbild von mir. Der Zug selber und seine Einrichtung wirken beinahe wie aus einem Steampunk-Anime entnommen, bei dem sich moderne und klassische Technikelemente vermischen. Ebenfalls mit sehr viel Kreativität und Einfallsreichtum sind die verschiedenen Waggons des Zuges designt, bei dem sich so absurde Sachen wie ein Aquarium, eine Sauna oder eine Schule wiederfinden. Auch wenn dies teils sehr unsinnig erscheint, sind dies doch durch und durch originäre Einfälle. Auch die Charaktere sind interessant ausgearbeitet und gespielt, wobei mit bekannten Namen wie Tilda Swinton, John Hurt und Ed Harris ausfallsichere Namen mit an Bord sind.

Bleibt zum Schluss die Handlung selbst. Hier bietet der Film natürlich einiges zum hineininterpretieren. Die Ungleichverteilung von materiellen Gütern auf der Welt? Joar, kann man wohl so sehen. Den Klassenkampf des unterdrückten Proletariats? Marx hätte seine Freude gehabt. Die Vereinnahmung des Menschen durch die Technik? Sicherlich vorhanden. Doch so recht zündet keine diese Themen für mich. Vor allem ist „Snowpiercer“ ein sehr gut gemachter Actionfilm, der mit Hilfe der Handlungsebene seine optischen Schauwerte präsentiert. Tiefere Interpretationsansätze wirken für mich an der Stelle etwas zu künstlich und aufgesetzt.

Unterm Strich hat mich „Snowpiercer“ gut unterhalten, jedoch auch nicht mehr. Die Analyse von Harvey Weinstein, der Film sei zu intelligent, kann ich wahrlich nicht nachvollziehen. Der Handlung zu folgen ist ohne größere intellektuelle Anstrengungen machbar, wenn man die leicht absurde Rahmenhandlung ausblendet. Was „Snowpiercer“ sehenswert macht, ist seine Mischung aus amerikanischen und asiatischen Actionkino, wodurch ein wirklich frischer Wind durch den Film weht. Ob man dem Film eine tiefere Ebene zuschreiben möchte ist jedem selbst überlassen, mir fehlte sie allerdings.

Das Fazit (für Lesefaule):

Ein Leben im fahrenden Zug… ahja. Was nach einer eher schwierigen Rahmenhandlung für eine Endzeit-Dystopie klingt, ist es am Ende dann auch. „Snowpiercer“ machte mir hauptsächlich in den Momenten Spaß, in denen ich ausblenden konnte, was mir der Film hier gerade auftischen will. Zwar gibt sich der Film allerlei Mühe zu erklären, wie es überhaupt nur ansatzweise denkbar ist 18 Jahre in einem fahrenden Zug zu leben (und dann in Teilen sogar in dekadentem Luxus), scheitert aber an dieser unlösbaren Aufgabe. Lässt man das jedoch außer Acht, ist „Snowpiercer“ ein waschechter Actionfilm, der handwerklich überaus gut gemacht ist und durch seine amerikanisch-asiatische Mischung frisch wirkt und Spaß macht. Wer Lust hat, darf in dem Film auch noch allerhand Gesellschaftskritik und Sozialethik hineininterpretieren und Analogien zur realen weltpolitischen Ordnung ziehen. Für mich wirken solche Versuche dann doch etwas überinterpretiert. Wem das Thema liegt und auch vor der ungewöhnlichen Handlung nicht zurückschreckt, wird durchaus Spaß mit dem Film habe. Den hatte ich, wenn auch mit Abstrichen. Ein Leben im fahrenden Zug… soso.

Wertung:

6-5

Trailer:

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