Vertigo (oder: Liebesgrüße aus dem Jenseits)

Jahr: 1958
Deutscher Titel: Vertigo – Aus dem Reich der Toten
Regie: Alfred Hitchcock
Laufzeit: 129 Minuten
Budget: 2,5 Mio. $
Academy Awards: Bestes Szenenbild (nominiert), Bester Ton (nominiert)

Der Inhalt kurz und knapp:

Vertigo – der medizinische Ausdruck für Schwindel. John Ferguson (James Stewart), von seinen Freunden auch „Scottie“ genannt, leidet seit einem traumatischen Ereignis unter akuter Höhenangst und damit verbundenem Schwindel. Der ehemalige Polizist hat sich nach dem Ereignis von Polizeidienst freistellen lassen und liegt seitdem mehr oder weniger auf der faulen Haut. Da kommt es ihm gerade recht, dass sein alter Freund und Kupferstecher Gavin Elster einen speziellen Auftrag für ihn hat. Seine Frau Madeleine (Kim Novak) benimmt sich in letzter Zeit äußerst merkwürdig, wobei Elster gar glaubt, dass sich der Geist von Madeleines Urgroßmutter Carlotta Valdes in ihr eingenistet hat. Scottie soll seine Fähigkeiten als Polizist einsetzen und Madeleine beschatten um herauszufinden, was sich hinter dem ungewöhnlichen Verhalten verbirgt. So beginnt Scottie seinen Einsatz, wobei er wesentlich stärker in den Fall involviert wird, als es ihm lieb sein kann.

Die Meinung:

Wieder einmal begebe ich mich in den Bereich der waschechten Klassiker, die ich hier in regelmäßigen Abständen immer mal wieder behandeln will. Dieses Mal ist ein durchaus bekanntes Brett auf der Tagesordnung – „Vertigo“. Wohl einer der bekanntesten Filme, eines der bekanntesten Regisseure des vergangenen Jahrhunderts. Mittlerweile hat dieser Film respektable 58 Dienstjahre auf dem Buckel, womit er sich ohne Zweifel im Bereich der Klassiker ansiedeln lässt. Wie lässt sich dieser Film im Jahre 2014 bewerten? Zieht er immer noch die Nägel aus dem Balken oder ist die Luft abgelassen?

Für mich das dickste Plus an „Vertigo“ fand ich seine sehr spannende Geschichte. Zwar nicht die klassische Fingernnägelkau-Spannung, sondern eher die Spannung, wie sich die Geschichte schlussendlich auflöst. Was Hitchcock bei mir erreichen konnte war ein diffuses Bauchgefühl ab den ersten Szenen, dass irgendetwas an der Geschichte rund um Madeleine Elster nicht passt. Hierbei empfand ich auch die getragene Langsamkeit des Films als keinen Makel, sondern vielmehr als Stilmittel dieses Grundgefühl langsam anschwellen zu lassen. Nach und nach baut sich die Geschichte zusammen und präsentiert eine durchaus geschickte Auflösung.

Überraschenderweise empfand ich den vielgerühmten Vertigo-Effekt als deutlich weniger spektakulär, als er gelegentlich dargestellt wird. Mit Sicherheit war diese Kameratechnik 1958 etwas völlig neues, doch tatsächlich nutzt Hitchcock diesen nur äußerst begrenzt und in wenigen Szenen. Wesentlich spannender fand ich hingegen die Darstellung von Scotties psychotischem Schub in der Mitte des Films, der mit einer verstörenden Mischung aus Ton, Farben und Animationen zusammengesetzt ist. Im Kontext der sonst doch eher ruhig-gesetzten äußeren Form des Films, kam diese Sequenz wirklich überraschend und schlug bei mir voll ein.

Das Schauspiel, vor allem das der beiden Hauptdarsteller, ist für die heutige Zeit etwas gewöhnungsdürftig. Wie auch in anderen Filmen dieser Zeit kommt es dem Bereich des Overacting ziemlich nahe und erinnert an typisches Theaterschauspiel. Doch wo ich sonst mit diesem „klassischen“ Schauspiel manchmal meine Probleme habe, passt es hier im Ganzen doch zur allgemeinen Grundstimmung des Films. Vor allem die Performance von Kim Novak schwankt ein wenig zwischen Laienschauspiel und genialer Charakterarbeit. Unterm Strich passen aber die Leistungen für die Zeit und zum Drehbuch.

Was mich am Film besonders gestört hat ist die frühzeitige Auflösung des Films zu Beginn des letzten Drittels. Dadurch verlor der Film für mich ein wenig den Reiz, indem sich das „Bauchgefühl“ auflöste. Zudem wird der Film ab diesem Zeitpunkt inhaltlich diffus und verliert seine klare Linie. Gerade die Darstellung von Scottie und seiner Manie gegenüber der vermeintlichen Madeleine wirkt unnatürlich und schwer nachzuvollziehen. Ich kann verstehen, warum Hitchcock sich für die frühzeitige Auflösung entschieden hat, jedoch funktionierte das Konzept für mich nicht.

Schlussendlich fand die rund 2 Stunden mit „Vertigo“ als durchaus sehenswert – mehr jedoch auch nicht. Somit bleibt bei mir (wieder einmal) das Gefühl einem Klassiker großes Unrecht zu tun und ihn durch meine 2014er Brille zu sehen, anstatt ihm historischen Kontext. Doch eine andere Bewertungsart würde ich für unsinnig halten. So bleibt für mich ein durch und durch solider Film, den jeder einmal gesehen haben sollte – mehr jedoch auch nicht.

Das Fazit (für Lesefaule):

Manchmal ist es ja wirklich schwierig mit Klassikern. Um eine einigermaßen objektive Wertung abgeben zu können, müsste man den Film in seinem historischen Kontext sehen. Doch kann solch ein Anspruch kaum gelingen, wenn die Erstsichtung geschlagene 56 Jahren nach der Uraufführung stattfindet. So ist es in diesem Fall leider mit mir und “Vertigo“, einem der bekanntesten Filme von Altmeister Hitchcock. “Vertigo“ konnte mich seine guten 2 Stunden zwar durchaus unterhalten, die ganz große Euphorie packte mich dann jedoch nicht. Dazu ziehen die visuellen Effekte und die besondere Bildsprache zu wenig ins Positive und die für meinen Geschmack zu frühe Auflösung zu sehr ins Negative. Dabei ist die Auflösung des Films nicht nur zu früh, sondern das letzte Drittel allgemein sehr zäh und wirkt auch zunehmend konstruiert. Hier verliert der Film sein größtes Plus, nämlich mein Interesse als Zuschauer, was denn nun hinter der Geschichte rund um Madeleine Elster steckt. So bleibt für mich am Ende ein Film, der zwar durchaus sehenswert ist, aber für mich eben auch nicht mehr.

Wertung:

Eine klare 7,5/10 auf der Skala für Höhenangst.

7-5

Trailer:

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