Lincoln (Oder: der 1-Zylinder-Motor)

Jahr: 2012
Regie: Steven Spielberg
Laufzeit: 150 Minuten
Budget: 65 Mio. $
Academy Awards (gewonnen/nominiert): Bester Hauptdarsteller, Bestes Szenenbild, Bester Film, Bester Nebendarsteller, Beste Nebendarstellerin, Beste Regie, Bestes adaptiertes Drehbuch, Beste Kamera, Bester Schnitt, Bestes Kostümdesign, Beste Filmmusik, Bester Ton

Der Inhalt kurz und knapp:

Wir schreiben das Jahr 1865. Der Amerikanische Bürgerkrieg geht in sein fünftes und letztes Jahr. Hunderttausende sind bereits auf den Schlachtfeldern Nordamerikas gestorben. In dieser Phase beginnt in Washington eine politische Gratwanderung des Präsidenten Abraham Lincoln. Dieser versucht den 13. Verfassungszusatz durchzudrücken, der die Sklaverei in den USA endgültig verbieten soll. Doch leider besitzt der republikanische Präsident im Repräsentantenhaus nicht die ausreichende Zweidrittelmehrheit um die Verfassung ändern zu können. So gilt es die eigene Fraktion von dem Vorhaben zu überzeugen, aber auch einen ausreichend großen Anteil aus den Reihen der Demokraten zu lösen. Beides stellt sich hierbei als nicht besonders einfach heraus, jedoch ist Abe Lincoln nicht nur ein politischer Fuchs vor dem Herrn. Vielmehr besitzt er den unbedingten Willen diesen besagten 13. Zusatzartikel durchzubringen, entgegen allen Schwierigkeiten, und somit die Sklaverei zu beenden.

Die Meinung:

Historienfilme sind so eine Sache für sich. Ich selbst finde das Genre durchaus spannend, vermag es doch eher trockene historische Kost aufzubereiten und dem Zuschauer als filmische Umsetzung zugänglich zu machen. Natürlich geht man hierbei immer ein Risiko ein, dass mit dieser Aufbereitung eine mehr oder minder starke Geschichtsverfälschung einhergeht. Dennoch empfinde ich diesen Ansatz als sehr sinnvoll, dem Zuschauer so einen Zugang zu historischen Ereignissen zu verschaffen.

Nun ist also der 16. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika Protagonist seines eigenen Biopic. Wobei dies dem Film nicht in Gänze gerecht wird, da sich der Film nicht nur der Person Lincoln annimmt, sondern auch dessen relevantester Tat – der Beendigung der Sklaverei in den USA. Wie schlägt sich nun also Steven Spielbergs neuester Streich?

Gut. Sehr gut sogar. Um es an dieser Stelle vorwegzunehmen: Ich bin ziemlich begeistert von „Lincoln“. Trotz seiner stattlichen Laufzeit von beinahe zweieinhalb Stunden, nahm mich die Handlung die volle Laufzeit mit und offenbarte nahezu keine Durchhänger im Niveau des Handlungsbogens. Dabei schafft es das Drehbuch aus dem historischen Material einen durch und durch spannend geschriebenen Plot zu kreieren, der von Altmeister Spielberg in gewohnt cineastischer Manier aufbereitet wird. Dabei verzichtet „Lincoln“ positiverweise auch auf allzu großen Pathos und vor allem auf unnötige Auszüge der zahllosen Schlachten zu dieser Zeit. Das tatsächliche Schlachtfeld befindet sich in diesem Film im politischen Washington.

Neben dem fantastischen Drehbuch und der Inszenierung, ist vor allem die Leistung von Daniel Day-Lewis zu würdigen. Dieser füllt die Figur des Abraham Lincolns mit Leben aus und zeigt einen sehr vielschichtigen Menschen, der bei allem Nachdruck sein Ziel zu erreichen, dennoch einen unglaublich warmen Typ Menschen abgibt. Inwieweit das der realen Figur nahe kommt vermag ich nicht zu sagen, gefallen hat mir dieser Lincoln jedoch sehr. Doch auch neben Day-Lewis zieht eine illustre Schar toller Schauspieler ins Feld, besonders zu nennen hierbei wären meiner Meinung nach Tommy Lee Jones und James Spader.

In diesem Zusammenhang fielen mir des Öfteren Szenen auf, die etwas aus dem Film fielen. Einige Sequenzen erinnern optisch, aber auch vom Textaufbau an Theaterszenen. Das verwirrte mich zunächst leicht, gefiel mir im Nachhinein jedoch sehr gut. Etwas störend hingegen wirkte auf mich der Umstand, dass in „Lincoln“ oftmals wild durcheinandergesprochen wird. Eine Eigenart, die ich eher aus älteren Filmen kenne, und allgemein nicht besonders schätze. Doch das ist eine persönliche Präferenz.

Wenn ich dem Film jedoch wirklich etwas ankreiden wollen würde, dann wäre es seine thematische Einstiegshürde für jeden Nicht-Amerikaner. Denn der Film setzt einiges an Vorwissen voraus, möchte man der Handlung inhaltlich auch wirklich folgen können. So nimmt sich „Lincoln“ keine Zeit seine wichtigsten Figuren einzuführen und Hintergrundinformationen zu verraten. Nö. Da muss der geneigte Zuschauer thematisch schon im Saft stehen und wissen, welche Gegen- und Mitspieler Lincoln während seiner Amtszeit im Repräsentantenhaus oder an sonstiger Stelle in Washington hatte. Im Grunde ist diese Entscheidung des Films sinnvoll, da so mehr Zeit auf die Handlung entfallen kann. Zudem dürfte eh jeder Absolvent einer High School die dargestellten Personen (hoffentlich) kennen. Für mich als Europäer, mit nur rudimentären Kenntnissen des Amerikanischen Bürgerkriegs, ergaben sich jedenfalls einige größere und unangenehme Fragezeichen über dem Kopf.

Doch für meine Unwissenheit will ich „Lincoln“ nicht verantwortlich machen. Der Film ist toll gespielt, toll geschrieben und handwerklich einfach großartig inszeniert. Somit kann ich „Lincoln“ jedem empfehlen, der sich ein wenig für diesen Teil der Geschichte interessiert und obendrein einen schlicht und ergreifend tollen Film sehen mag. Ich bin jedenfalls sehr begeistert.

Das Fazit (für Lesefaule):

Wow! So plastisch-greifbar kann eine Geschichtsstunde sein. „Lincoln“ ist mit Sicherheit einer der besten Historienfilme, die ich je gesehen habe. Dabei macht es der Film einem als Europäer wahrlich nicht einfach und kommt mit zahlreichen Einstiegshürden daher, ist man nicht ganz sattelfest in US-amerikanischer Geschichte. Denn der Film setzt einiges an Vorwissen voraus, führt seine Figuren weder ein, erklärt nicht deren politischen Standpunkt oder deren persönlichen Hintergrund. Klar, sind diese Fakten mit Sicherheit Standardinhalte jeder amerikanischen Mittelschule. Dennoch wirkte der Zauber von „Lincoln“ auch auf mich und ließ mich erahnen, warum der 16. Präsident der Vereinigten Staaten bis heute besondere Verehrung genießt. Besonders hervorzuheben an dieser Stelle ist die grandiose schauspielerische Leistung von Daniel Day-Lewis. Er schafft es aus einer historischen Figur, eine im wahrsten Sinne des Wortes atmende und lebendige zu schaffen. Zusammen mit einer grandiosen spielberg’schen Inszenierung bricht der Film die weltgeschichtliche Kruste der Begebenheiten des Jahres 1865 auf und transportiert die gesellschaftliche und persönliche Dramatik greifbar in die Gegenwart. Somit erreicht „Lincoln“ das, woran viele andere Historien scheitern – Geschichte greifbar zu machen und spannend zu erzählen.

Wertung:

Eine erbitterte Abstimmung, bei der schließlich 8,5 von 10 Delegierte zustimmen.

8-5

Trailer:

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