Jahr: 2013
Regie: Baz Luhrmann
Laufzeit: 142 Minuten
Budget: 105 Mio. $
Academy Awards: Bestes Szenenbild (gewonnen), Bestes Kostümdesign (gewonnen)
Worum geht’s?
Heute soll es im CinemaScope einmal etwas ganz neues geben: ein Co-Review mit bullion, seines Zeichens Autor des Blogs Tonight is gonna be a large one. Da staunt der Fachmann und der Laie wundert sich, aber keine Sorge, weiter unten wird sich dies schnell aufklären. Wir haben uns zusammengesetzt, rein virtuell, und uns über Baz Luhrmanns neuestes Werk „The Great Gatsby“ unterhalten. Dabei sind ein paar (hoffentlich) interessante Zeilen zusammengekommen, die hier natürlich in bullions Blog finden könnt. Ich möchte bullion besonders für das interessante Gespräch danken und würde mich freuen, wenn dies beizeiten zu wiederholen wäre. Lasst uns doch einfach wissen, ob ihr diese Art des Reviews spannend findet. Wer Gefallen an dieser Review-Form gefunden hat, für den hat bullion ein Tipp: das Blog Film im Dialog. Nun aber viel Spaß bei dieser etwas anderen Review-Form.
Der Inhalt kurz und knapp:
Die goldenen und wilden 20er Jahre in New York City – geprägt von der florierenden Wall Street, einer neureichen Oberschicht und sich ändernden gesellschaftlichen Normen. Nick Carraway (Tobey Maguire) gehört nicht zur Upper Class, mietet sich dennoch ein bescheidenes Häuschen im fiktiven West Egg, einer noblen Gegend auf Long Island. Wie sich sein Leben durch diesen Entschluss ändern wird, ist Carraway zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar, wohnt er doch neben der Gatsby-Residenz. Ein riesiges Anwesen, in welchem regelmäßig riesige Partys gefeiert werden, zu welchem die halbe Stadt uneingeladen erscheint. Allerdings kennt so gut wie niemand den Gastgeber persönlich. Als Carraway dann als einziger eine persönliche Einladung erhält, dämmert ihm, dass er für Gatsby (Leonadro DiCaprio) einen besonderen Stellenwert haben muss. Es stellt sich heraus, dass Carraways Cousine Daisy (Carey Mulligan) in einem besonderen Verhältnis zu Gatsby steht, die jedoch bereits verheiratet am gegenüberliegenden Ufer der Bucht ihr Leben lebt. Aus diesen Umständen wird Carraway Zeuge eines großen Dramas, das seinen Beginn schon lange Zeit zuvor nahm.
Der Dialog:
Philipp: „The Great Gatsby“. Ein großer Name. Hier also eine Neuauflage des Klassikers aus dem Jahr 2013. Wie hat dir der Film denn so gefallen?
bullion: Um es kurz zu machen: gut, sogar sehr gut. Ich mochte bereits Baz Luhrmanns „William Shakespeares Romeo + Julia“ und mit „Moulin Rouge“ hat er einen meiner Lieblingsfilme inszeniert. Nach „Australia“ fühlt sich „The Great Gatsby“ ein wenig wie die Rückkehr zu seinen Wurzeln an: eine klassische Literaturvorlage, die in durch den Popkultur-Fleischwolf gedreht wurde. Das Ergebnis funktioniert für mich erstaunlich gut. Künstlichkeit als Kunstform und doch echte Charaktere, die starke Emotionen wecken können. Allerdings kenne ich die Vorlage auch nicht. Hast du F. Scott Fitzgeralds Vorlage gelesen oder die 1974er Verfilmung mit Robert Redfort gesehen?
Philipp: Zu meiner Schande: weder noch. Ich hatte allerdings vor einiger Zeit eine Inhaltsangabe gelesen, wusste also ungefähr worauf ich mich gefasst machen musste. Inhaltich hält sich der Film ja auch sehr nah an die literarische Vorlage, soweit ich das beurteilen kann. Von der Inszenierung war ich jedoch sehr überrascht, aber auch durchaus positiv. Wo du allerdings den Vergleich mit „Moulin Rouge“ aufmachst, hätte ich beim Namen Baz Luhrmann schon gewarnt sein müssen. Vielleicht aber erst einmal zurück zur Handlung. Oberflächlich betrachtet handelt es sich ja bei „The Great Gatsby“ doch um ein recht konventionelles Liebesdrama. Ich befürchte, dass mir der Film, ohne den vor dir so schön betitelten „Popkultur-Fleischwolf“, doch etwas dröge vorgekommen wäre. Was meinst du dazu? Hat dich die Geschichte als solches gepackt, einmal die äußere Form außer Acht gelassen?
bullion: Schwierige Frage. Bei Baz Luhrmann sind Inhalt und Form so eng verwoben, dass es mir schwer fällt eine Trennung vorzunehmen. Ich fand es faszinierend, wie modern diese an sich konventionelle Geschichte durch die Inszenierung wirkt. Man erlebt die Roaring Twenties nicht aus heutiger Sicht, sondern wie sie damaligen Zeitgenossen vorgekommen sein müssen: schrill, bunt, laut. Ein Leben wie im Rausch, das durch Erfolg und Reichtum geprägt war. Dies transportiert die Inszenierung exzellent und würde in einem klassisch erzählten Film wohl fehlen. In „Australia“ hat mich die Künstlichkeit der Bilder noch teils aus dem Film geworfen, hier hat es für mich dennoch ausgezeichnet funktioniert. Wie hat dir der Film auf audiovisueller Ebene gefallen und was sagst du zum Einsatz der modernen Pop-Songs?
Philipp: Der Punkt war für mich sicherlich das überraschendste, aber für mich auch der große Pluspunkt an dieser Interpretation von „The Great Gatsby“. Ich finde es allgemein immer sehr spannend, wenn Bild- und Tonspur künstlerisch differieren und eine gewisse Disharmonie aufbauen. Ich denke da z.B. an die Tarantino-Filme, bei denen dieser Effekt gerne ausgenutzt wird und vor allem dazu dient eine Erwartungshaltung zu brechen. In dem konkreten Fall hat mir die musikalische Untermalung durchaus gut gefallen, hier hat Jay-Z in Zusammenarbeit mit dem Filmteam ein gutes Händchen bewiesen. So ab der Hälfte des Films wird der Soundtrack allerdings auch nach und nach konventioneller, was sich aber auch an der verändernden Handlung festmachen lässt. Doch kommen wir vielleicht zu etwas anderem: den Schauspielern. Mit „The Wolf of Wall Street“ hatten wir vor kurzem eine Leonardo-DiCaprio-One-Man-Show, die dann (mal wieder) nicht in einem Oscar mündete. Wie würdest du hier „The Great Gatsby“ sehen? Wieder DiCaprio-Festspiele, oder trumpft hier das ganze Ensemble gleichwertig auf?
bullion: Leonardo DiCaprio steht für mich eindeutig im Mittelpunkt. Dies ist jedoch bei einem Film, der nach dem von DiCaprio gespielten Hauptcharakter benannt ist, allerdings auch kein Wunder. Man darf auch nicht vergessen, dass die Geschichte durch die Augen von Nick Carraway erzählt wird, der Jay Gatsby ja in seiner Erzählung zum Großen Gatsby erhebt – eben diese mysteriös-schillernde Figur, die wir durch DiCaprio dargestellt erleben. Tobey Maguires Nick Carraway bleibt dagegen ein wenig blass, was jedoch der Figur innewohnt und ich keinesfalls als Kritikpunkt verstanden haben möchte. Für mich wirkt das Ensemble perfekt aufeinander abgestimmt und selbst kleinere Rollen, wie z.B. Isla Fishers Myrtle Wilson, haben mir gut gefallen. Auch Carey Mulligan hat ihren Charakter perfekt ausgefüllt, wenngleich ich mir eine innigere Verbindung zu Gatsby gewünscht hätte – doch konnte man sich deren Ausbleiben auch gut durch Gatsbys übersteigerte Idealisierung erklären. Wie hat dir die Dynamik zwischen den Charakteren gefallen und gibt es für dich Kritikpunkte, die du ansprechen möchtest?
Philipp: Ich bin deiner Meinung, dass der Cast sehr treffend auf die Rollen abgestimmt ist. DiCaprio spielt wieder einmal großartig, Tobey Maguire passt zu der etwas unterkühlten Figur des Nick Carraway und auch Carey Mulligan mimt die emotional Zerrissene sehr trefflich. Doch gerade in der Dynamik zwischen dem Cast, hatte ich teils einige Probleme. Das hängt für mich ein wenig mit der Konzeption des Films, bzw. der zugrundeliegenden Geschichte von Fitzgerald zusammen. Etwa nach 2/3 Laufzeit, beginnt der Film sich intensiv dem zwischenmenschlichen Drama zu widmen. Bis zu diesem Zeitpunkt empfand ich den Film als sehr packend, da er mir vor allem durch seine Leichtigkeit Spaß brachte. Doch genau diese Leichtigkeit verfliegt und wird zu einem doch leicht zähen Drama in dem letzten Akt. Das liegt für mich daran, dass das Ensemble zwar gut spielt, aber nicht so recht zusammen. Das Ganze kann man gut an der zentralen Szene des Films festhalten, bei der die wesentlichen Figuren in einem New Yorker Hotelzimmer zusammenkommen. Aus irgendeinem Grund stimmte für mich hier die Chemie der Darsteller untereinander nicht. DiCaprio hat einen tollen Wutausbruch, Mulligan ist in ihren Gefühlen hin und hergerissen… doch irgendwie spielen alle so ein bisschen an den jeweils anderen vorbei. Wie siehst du diese Schlüsselszene? Hat sie dich voll mitgerissen oder teilst du meine leichte Skepsis?
bullion: Ich verstehe was du meinst. Stand im ersten Drittel der Exzess im Mittelpunkt, im zweiten Drittel das zumindest momentane Erreichen von Gatsbys Zielen, kam es im letzten Drittel zur unweigerlichen Katastrophe. Für mich hat das durchaus funktioniert, waren doch die Partys für Gatsby auch nur Mittel zum Zweck und stand das kurze Glück im zweiten Akt von Anfang an unter keinem guten Stern. Es schwang stets eine gewisse Tragik mit, was wohl auch in der Erzählung Nick Carraways zu verorten ist. Vielleicht hatte ich unterbewusst auch mit einem Finale in dieser Richtung gerechnet, da „Moulin Rouge“ ja ähnlich tragisch endet. Die von dir angesprochene Szene im Hotelzimmer ist für mich hier nur der Wendepunkt in der Geschichte, die das Ende vorbereitet. Durchaus konsequent und bestürzend – speziell Daisys Reaktion und kompletter Rückzug. Wie hat dir der Film denn – diese Szene einmal ausgenommen – insgesamt gefallen und wie viele Punkte würdest du ihm auf der klassischen 10er Skala geben?
Philipp: Trotz meiner kleineren Kritik an Handlung und Darsteller, bin ich doch sehr zufrieden mit „The Great Gatsby“. Der Film hat mich die volle Laufzeit von immerhin deutlich über 2 Stunden unterhalten und konnte mich vor allem sehr überraschen, was generell und immer seeehr positiv ist. Vor allem die erste halbe Stunde hat mich audiovisuell voll getroffen, so dass ich in Summe dem Film runde 8 von 10 Sternen geben würde. Abschließend möchte ich dich natürlich auch nach deiner Wertung fragen wollen. Wie viele Sternchen verteilst du an „The Great Gatsby“? Und würdest du wollen, dass sich Baz Luhrmann weiterer klassischer Werke der Literatur annimmt und diese auf seine Art und Weise in die Moderne übertragt? Hast du eventuell schon ein bestimmtes Werk vor Augen?
bullion: Obwohl ich den Eindruck hatte, dass ich den Film ein wenig positiver wahrgenommen habe als du, deckt sich meine Wertung mit deiner: 8/10 Punkte. Insgesamt würde ich ihn in meiner Luhrmann-Skala wohl zwischen „Romeo + Julia“ und „Australia“ einordnen. Steigerungspotential ist auf jeden Fall noch vorhanden und ich bin mir sicher, dass dies nicht die letzte Sichtung war. Was Baz Luhrmann und weitere Literaturverfilmungen angeht, so könnte das durchaus spannend werden. Allerdings eignet sich auch nicht jeder Stoff für seine Art der Überinszenierung – und auch wenn ich keine Vorlage für prädestiniert halte, so lasse ich mich sehr gerne überraschen!
Wertung:
8 wilde Abendgesellschaften, samt Vollrausch!
Trailer: