9 рота (Oder: Full Metal Afghanistan)

Jahr: 2005
Deutscher Titel: Die Neunte Kompanie
Regie: Fedor Bondarchuk
Laufzeit: 130 Minuten
Budget: 9,5 Mio. $

Der Inhalt kurz und knapp:

1988 – beinahe 10 Jahre sind vergangen, seitdem die Rote Armee in Afghanistan eingefallen ist, um dort den Fortbestand des kommunistischen Systems zu gewährleisten. Doch werden die sowjetischen Truppen mit aller Kraft von den Mudschaheddin und ihren Hintermännern bekämpft. In diese mörderische Situation gerät eine Gruppe junger Rekruten, die nach ihrer harten Ausbildung zu Luftlandesoldaten, direkt in das leidgeprüfte Land geschickt werden. Hier gilt es einen Krieg zu führen, der schon lange verloren ist und jeden Zweck über Bord geworfen hat. Einige dieser Rekruten werden in die namensgebende neunte Kompanie versetzt und erleben dort, neben Langeweile und der tieferen Sinnfrage, schlussendlich einen Kampf ums Überleben.

Die Meinung:

Seit längerem habe ich einen russischen Film in der Warteschleife fliegen, der vor wenigen Tagen in meinem heimischen Abspielgerät landen konnte. Grund für den Platz auf meiner noblen Liste war das durchaus interessante Thema, dass die „9 рота“ oder „Die Neunte Kompanie“ behandelt – den sowjetisch-afghanischen Krieg, der über 10 Jahre andauerte. Nicht nur weil dieser Krieg zu dem heutigen Konflikt in dieser Region viele Parallelen aufweist, sondern auch wegen der Thematisierung eines eher unterrepräsentierten Teils der Weltgeschichte, war ich höchst gespannt. Wie schaut sich denn nun dieser russische Ableger?

Durchaus solide. Der Ersteindruck von „Der Neunten Kompanie“ ist in zunächst einmal eins – Hollywood untypisch. Das liegt nicht nur an den eher ungewöhnlichen Namen, Aussehen und Habitus der Protagonisten, sondern auch in einer vielversprechend reduzierten Bildsprache. Somit kommt der Film angenehm frisch daher, zudem auch die Auswahl des Scores und die Leistung der Darsteller ein durchaus rundes und stimmiges Paket abgeben, das bis zum Ende hin ein packendes Filmerlebnis schafft.

Leider kommt jedoch nach einigen wenigen Szenen ein gewisser Verdacht auf, der sich mit Voranschreiten des Films bestätigt. Insgesamt wirkt der Film wie eine Kopie von Stanley Kubricks „Full Metal Jacket“ aus dem Jahre 1982. Zum einen verarzten beide Filme ein nationales Kriegstraumata, welche durchaus zahlreiche Parallelen aufweisen. Wo „Full Metal Jacket“ den Einsatz der technisch überlegenden US-Armee in Vietnam thematisiert, thematisiert „Die Neunte Kompanie“ den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan. Beide Kriege ähneln in ihrem Verlauf, in dem jeweiligen Gegner (und den jeweiligen Financiers) und in ihren langfristigen politischen Folgen. Neben diesen thematischen Ähnlichkeiten sind beide Filme gleich aufgebaut. In der ersten Hälfte des russischen Films, werden die Rekruten von einem gnadenlosen und in fraglicher psychischer Verfassung befindlichen Ausbilder für den Krieg fit gemacht. Im zweiten Teil des Films (übrigens auch von der Laufzeit) wandert das Geschehen dann in die Krisenregion, in dem ein Krieg lodert, dessen Sinn sich nicht mehr erschließt. Klingelt es? Ja, alles irgendwie sehr bekannt.

Regisseur Bondarchuk, der übrigens auch selbst vor der Kamera agiert, setzt allerdings andere Akzente in seiner Erzählweise, indem er tiefer in die innere Gefühlswelt der Rekruten blickt. Zu Beginn des Films waren mir persönlich die Charaktere zu stereotypisch. Da gibt es den sensiblen Lehrer, den gewalttätigen Schläger, den Künstler im Herzen. Doch wo die Charakterarbeit erst etwas zu gewollt einsetzt, stoppt sie nach etwa einem Drittel seltsam abrupt. Plötzlich sind die Rekruten nahezu gleich in ihren Regungen und Gefühlen, innere Konflikte in der Gruppe verschwimmen. Das Ganze lässt sich eventuell durch den Ansatz erklären, dass durch die Ausbildung die Individualität verschwindet, jedoch wirkte dies für mich nicht konsequent verfolgt.

Was zudem leider passiert ist, dass sämtliche Rekruten, später dann eigentlich alle russischen Soldaten, als durch und durch moralisch gefestigt durchgehen. So sind im kompletten Film nahezu keine fragwürdigen Einsätze der Roten Armee zu sehen (bei genauem Überlegen würde mir hier nur eine einzige, inhaltlich nicht wesentliche Szene einfallen). Zudem spielen die Sowjet-Truppen eine rein passive Rolle und sind stets in der verteidigenden Position. So wirkt der Film in seiner Handlung recht einseitig beschrieben und verfällt in machen Szenen gar in eine leicht pathetische Grundhaltung.

Doch eigentlich mag ich gar nicht so viel meckern. Der Film ist im Kern durchaus solide produziert und wirkte auf mich in seinen kompletten 130 Minuten als sehr eindringlich und stimmungsvoll. Das Ende schnellt dann etwas über die Stränge und packt dann doch eine Spur zu viel Pathos obendrauf. Doch letztlich soll dies geschenkt sein, ebenso wie die geistige Nähe zu Kubrick. Wer etwas mit Militärdramen anfangen kann und gerne einmal etwas anderes sehen möchte, als Vietnam oder irgendeine Pazifikinsel, der kann hier getrost zugreifen. Doch insgesamt gibt es in diesem Genre einfach wesentlich komplexere und vielschichtigere Konkurrenten.

Das Fazit (für Lesefaule):

„Die Neunte Kompanie“ ist ein schwer fassbarer Film. In weiten Teilen wirkt dieser wie eine Kopie von Kubricks 1982er „Full Metal Jacket“. Nicht nur die thematische Nähe, sondern auch der strukturelle Aufbau des Films ähnelt seinem geistigen Bruder. Doch geht Regisseur Bondarchuk auf die persönliche Ebene der Soldaten hinab und skizziert deren Schicksal in einem verlorenen Kampf. Doch wo zu Beginn das Buch differenzierte Charaktereigenschaften der Rekruten formt (wenn auch teilweise etwas zur Grenze des Stereotyps), verwischen diese zunehmend zu einem diffusen Brei. Dabei werden die Protagonisten als beinahe unbeteiligt am aktiven Kriegsgeschehen dargestellt, wobei ihnen und der Roten Armee fast gänzlich die Rolle der Verteidiger zugeschoben wird. Ihre afghanischen Gegner hingegen erhalten diese schönfärbende Rolle nicht, im Gegenteil. Somit bleibt zwar ein packendes Drama, das interessante Dialoge und schauspielerische Darstellungen erhält, aufgrund meiner gefühlten Nähe zu „Full Metal Jacket“ und dem ein oder anderen Anflug von Geschichtsverklärung mir zu unausgewogen daherkommt.

Wertung:

Auf den Boden und gib mir 6!

6-0

Trailer:

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