Life of Pi (Oder: Der Weckt den Tiger in dir)

Jahr: 2012
Deutscher Titel: Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger
Regie: Ang Lee
Laufzeit: 127 Minuten
Budget: 120 Mio. $
Academy Awards (gewonnen/nominiert): Beste Regie, Beste visuelle Effekte, Beste Filmmusik, Beste Kamera, Bester Film, Bestes adaptiertes Drehbuch, Bestes Szenenbild, Bester Schnitt, Bester Tonschnitt, Bester Ton, Bester Filmsong

Der Inhalt kurz und knapp:

Der junge Pi (eigentlich Piscine, aber da der Name so seine Tücken hat, dann doch eher Pi) Patel hat ein durchaus angenehmes Leben im französisch geprägten Teil Indiens. Seine Familie betreibt einen Zoo samt allerlei exotischer Tiere und Pi verliebt sich unsterblich in seine Traumfrau. Doch gerade als alles so perfekt erscheint, beschließt die Familie nach Kanada auszuwandern. Und da exotische Tiere reichlich kanadische Dollar bringen, werden diese und die komplette Familie auf einen Frachter geladen und die Reise über den Pazifik beginnt. Doch ist das Glück den tierischen und menschlichen Auswanderern nicht hold, da das Schiff in einem schweren Sturm sinkt. Nur Pi schafft es sich in ein Rettungsbot zu retten und bemerkt nach kurzer Zeit, dass er nicht alleine ist. Der Tiger des Zoos, mit dem selten seltsamen Namen Richard Parker ist mit ihm an Bord. Nun versuchen beide, Pi und Richard Parker, in der Nussschale zu überleben und erleben hierbei reichlich interessante Erlebnisse.

Die Meinung:

„Life of Pi“ lag schon seit einer gefühlten Ewigkeit auf meinem Stapel der dringend abzuarbeitenden Filme. Tatsächlich hatte der Film es sogar schon mehrmals bis ins heimischen Abspielgerät geschafft, war dann aber doch kurzfristig noch abgelöst worden. Doch nun endlich schaffte Ang Lees vielbeschworenes Meisterwerk den Sprung auf meine Mattscheibe. Was kann ich nun also nach 2 Stunden sagen? Hat der Film die zahlreichen Auszeichnungen und Nominierungen verdient? Um ehrlich zu sein, nach der ersten halben Stunde hätte ich beinahe dem indischen Treiben ein jähes Ende bereitet.

Was war passiert? Meiner Meinung nach ist die erste halbe bis dreiviertel Stunde wirklich nicht gut gelungen. Größtenteils viskos langweilig zogen die ersten Sequenzen aus der Kindheit von Pi vorbei. Eine ziemlich abgenutzte Mischung aus Coming-of-Age-Elementen und einigem merkwürdigen Religionsschnickschnack, die man bisweilen als eine Lehrstunde in Glückskeks-Philosophie beschreiben könnte. Die Rollenaufteilung ist klar, Pi der eher introvertierte und gehänselte, gleichzeitig aber auch hochintelligente und nach dem Sinn des Lebens strebende. Ein Vater als genaues Gegenteil, der typische Kaufmann mit dem Sinn für die realen Dinge auf dieser Erde. Ein Mädchen im… Ach Mensch. Muss sowas denn sein? Wer will so etwas im Jahr 2013 sehen? Ich jedenfalls nicht.

Hier hat für mich der Trailer wirklich den Film gerettet, was wahrlich selten passiert. Ich saß mit tippenden Finger auf der Armlehne vor dem Fernseher und fragte mich: „Hallo Ang Lee? Wo sind denn die tollen Bilder aus dem Trailer?“ Und tatsächlich. Mit dem Betreten des Frachter beginnt der eigentliche Film und haute mich wahrlich um. Einen Film, der mich derart unterschiedlich in seinen zwei Teilen unterhielt, habe ich glaube ich nie zuvor gesehen.

Das dickste Brett an „Life of Pi“ ist sicherlich seine wahnsinnig fesselnde Optik. Hier haben die VFX-Virtuosen wahrlich grandiose Arbeit geleistet, was natürlich die Empörung nach Bekanntwerden der Produktionshintergründe durchaus rechtfertigt. Nachdem die beiden Protagonisten auf dem Ozean umherdümpeln, könnte man fast jedes Bild abfotografieren und sich hieraus ein schickes Hintergrundbild für das Betriebssystem der eigenen Wahl basteln. Dabei besitzen die Bilder teils einen fast märchenhaften Charakter und bilden so wunderbare Impressionen der Reise von Pi über den Ozean. Besonders der Tiger wirkt derart realistisch, dass ich mehrmals überlegen musste, ob der Tiger nicht vielleicht doch real aufgenommen wurde. Hier setzen die visuellen Effekte eine ganz neue Duftmarke und „Life of Pi“ ein Benchmark, was mit ausreichend Geld heutzutage möglich ist im Animationsbereich.

Inhaltlich kann „Life of Pi“ dann auch noch einmal richtig aufdrehen. Das Ende des Films ist auf den Punkt inszeniert und offenbart eine in alle Richtungen perfekt abgestimmte Allegorie, welche die komplette Handlungsebene des Films umwirft. So muss der Zuschauer die vergangenen Ereignisse auf der Reise von Pi in Frage stellen und neu bewerten. Aus diesem Kontext leitet der Film zudem schlussendlich eine charmante Sichtweise auf Religion ab, die mich noch mehrere Tage intensiv begleitete. Mit diesem Ende schafft dann „Life of Pi“ etwas, womit ich nicht mehr gerechnet hatte – den Sprung von der Glückskeks-Philosophie, hin zu einer starken inhaltlichen Aussage.

Das Fazit (für Lesefaule):

Das Prädikat “ Ein modernes Märchen“ wird geradezu inflationär verwendet, doch hier trifft es wirklich einmal zu. „Life of Pi“ ist, im wahrsten Sinne des Wortes, ein äußerst sehenswerter Film, mit wahnsinnig tollen Bildern. Technisch feuern die VFX-Künstler aus allen Rohren und zeigen, was mit der heutigen Technik alles möglich ist. Hierbei verlieren sie sich aber nicht in einer reinen Technikschlacht, sondern kreieren wunderschön stimmungsvolle Bilder, wie sie ein solches Märchen braucht. Inhaltlich beginnt der Film leider alles andere als überzeugend. Das erste Drittel des Films ist zur Einstimmung zwar nötig, bringt dem Film jedoch als solches keinen Schritt vorwärts sondern spielt mit völlig abgelutschten Plot-Fragmenten. Doch nach dem lahmen Beginn dreht der Film auf und endet mit einer bemerkenswerten Wendung, die den Zuschauer den Großteil des Films neu überdenken lässt. Als Rauswerfer bietet „Life of Pi“ dann noch eine überaus schwere Frage, die den einen oder anderen vielleicht noch deutlich länger beschäftigt als die Laufzeit des Films – bei mir war es definitiv der Fall.

Wertung:

Ohne den schleppenden Beginn wären es verdiente 9 Sterne gewesen, so bleiben aber immerhin noch 8 bissige Sterne übrig .

8-0

Trailer:

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