Tropa de Elite (Oder: Schläft ein Papst im Slum)

Jahr: 2007
Englischer Titel: Elite Squad
Regie: José Padilha
Laufzeit: 120 Minuten
Budget: ca. 6,5 Mio. $ (11 Mio. Real)
Berlinale: Goldener Bär 2008

Der Inhalt kurz und knapp:

Die Favelas von Rio de Janeiro. Drogenbanden kontrollieren weitestgehend diese Stadtgebiete, die reguläre Polizei traut sich kaum noch diese Gegenden zu betreten. Außer es ist wieder einmal eine Tasche Bargeld abzuholen oder wertvolle Polizeiausrüstung an Gangs zu verscherbeln. In dieser Spirale aus Kriminalität und Korruption landen die beiden Nachwuchspolizisten und Jugendfreunde Neto und Matias, denen schon nach kurzem dieses System gewaltig auf den Zeiger geht. Doch gibt es einen scheinbaren Ausweg – die BOPE. Die BOPE ist eine Eliteeinheit der Polizei, die sich schwerbewaffnet und mit fragwürdigen Mitteln Zutritt zu den Slums verschafft und sich weder durch Beschuss, noch durch Bestechung abhalten lässt. Die beiden Polizisten absolvieren den unmenschlichen Aufnahmetest, was vor allem Capitão Roberto Nascimento in die Hände spielt, der BOPE verlassen will und daher einen Nachfolger sucht. Das die Geschichte für alle nicht das bestmögliche Ende nimmt scheint gewiss – doch bis dahin vergehen 120 handlungsreiche Minuten.

Die Meinung:

„In Rio hängt der Frieden von dem empfindlichen Gleichgewicht zwischen der Munitionsmenge der Gangster und der Korruption der Polizisten ab.“ Nach diesem Zitat, direkt zu Beginn von „Tropa de Elite“, weiß der Zuschauer schon grob wohin die Reise gehen soll. In dem brasilianischen Film, der 2008 den Goldenen Bären erhielt, geht es nicht um Einzelfälle von Korruption oder gelegentliche, höchstgeheime Drogendeals. Es geht um einen rechtsfreien Raum mitten in Brasilien. Wie lässt sich „Tropa de Elite“ am besten einordnen? Actionfilm, Drama, Sozialkritik? Nun, irgendwie um eine wilde Vermischung aus allem. Kann das gutgehen?

Als Film bedingt, als Geschichte schon eher. Der Stärke des Film liegt vor allem in den dargestellten Figuren und deren Wandel innerhalb der Handlung. Dies lässt sich am besten an der Darstellung der BOPE zeigen, die sich entgegen der regulären Polizei nicht für das Wegschauen schmieren lässt, sondern trotz aller Gefahren das Gesetz durchzudrücken versuchen. So stellt es sich zumindest zu Beginn des Films dar und ließ mich erst einmal prompt eine anerkennende Position beziehen. Doch nach und nach zeigt sich, mit welcher Brutalität die BOPE ihre Aufgabe umsetzt. Es wird erst einmal geschossen und erst danach vielleicht Fragen gestellt, Zeugen werden gefoltert und bedroht und die Ausbildung als menschenverachtend zu beschreiben wäre noch geschmeichelt. Dennoch bekämpfen sie als einzige die florierende Kriminalität, ohne sich dabei die Taschen mit Geld vollzustopfen. Eine ähnlich ambivalente Gratwanderung machen beinahe sämtliche Protagonisten durch, so dass die Kategorien „Gut“ und „Böse“ nach und nach verschwimmen.

Als Film hat „Tropa de Elite“ jedoch seine Probleme zu funktionieren. Die Geschichte ist stellenweise unnötig verquer und lässt gelegentlich an der Motivation der Figuren zweifeln. Ein formales Problem der deutschen (und auch englischen) Fassung ist jedoch, dass der Film nicht synchronisiert wurde, sondern nur stellenweise ein deutschsprachiger Off-Sprecher Teile die Rahmenhandlung erläutert. (Von Oliver Stritzel als Sprecher übrigens eine sehr gute, weil stimmungsvolle Arbeit.) Die Dialoge hingegen sind jedoch nur untertitelt und offenbar nicht besonders akurat, da stellenweise Teile der gesprochenen Konversation fehlen. Da mein portugiesisch etwas eingerostet ist, konnte ich dies nicht aber genauer verifizieren. 😉 Trotz mancher sehr authentischer und gut eingefangener Szenen, greift Padilha aber auch gerne zur berüchtigten Wackelkamera zurück, die an mancher Stelle übertrieben eingesetzt wirkt und besser im Schrank geblieben wäre.

Zusammenfassend hat mich „Tropa de Elite“ mit seiner inneren Handlung durchaus überzeugt, jedoch schafft es der Film nicht in die ganz hohen Sphären aufsteigen zu können, da es dem Film hier und dort an handwerklicher Raffinesse fehlt. Regisseur Padilha wollte zunächst eine Dokumentation über die BOPE drehen, was durch diverse Umstände jedoch so nicht möglich war. Stattdessen transformierte er die Darstellung zu einer semi-fiktiven, was wohlmöglich die eingeschränkte filmische Brillanz erklärt. Dennoch würde ich „Tropa de Elite“ durchaus empfehlen wollen, da sich der Film und seine Handlung deutlich von vergleichbaren Ablegern aus Hollywood abhebt.

Das Fazit (für Lesefaule):

„Tropa de Elite“ schleift den Zuschauer durch eine 120-minütige Spirale aus Gewalt und Gegengewalt. Die Szenen sind teils mitreißend, teils anstrengend und es fällt zunehmend schwer eine klare Position zu den dargestellten Charakteren zu beziehen – sicherlich die wesentliche Qualität dieses Film, der in kein Genre so recht passen will. Filmisch ist José Padilha sicherlich nicht der ganz große Wurf gelungen, zu umständlich und sprunghaft ist die Erzählung. Dennoch ein Film, der dank seiner thematischen Brisanz im Kopf bleibt und, zumindest bei mir, einmal gründlich die moralischen Hirnareale auf den Kopf gestellt hat.

Wertung:

7-5

Trailer:

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